Fünf Thesen zur neuen Ära im Welthandel

Wie können sich die stark exportabhängigen deutschen Unternehmen unter dem Druck von Renationalisierungstendenzen positionieren? Im Rahmen einer aktuellen Studie formuliert das Beratungsunternehmen Accenture dazu fünf zentrale Thesen.
Illustration: Atelier Olsson Rodriguez
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Klaus Lüber Redaktion

1. Leistungsbilanzüberschüsse haben als Wachstumsmotor ausgedient
Lange galt der hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands als Garant für eine prosperierende Volkswirtschaft. Allerdings sind solche Überschüsse auch das Zeichen für Ungleichgewichte im Welthandel. Im Zuge einer gerade zu beobachtenden Renationalisierung könnten viele Staaten, besonders die USA, auf eine ausgeglichene Bilanz mit Deutschland drängen. Bei einer aktuellen Exportquote von 47 Prozent könnten protektionistische Maßnahmen die deutsche Volkswirtschaft hart treffen.

2. Regulierung verändert Wettbewerbspositionen von Volkswirtschaften über Nacht
In den wichtigsten deutschen Exportmärkten stieg die Zahl der Maßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft dramatisch an – von 155 im Jahr 2009 auf aktuell 463, wie der Centre for Economic Policy Research ermittelte. Besonders beunruhigend für deutsche Unternehmen ist die unklare Haltung des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum freien Welthandel und der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Weitere Fragen werfen EU-kritische Tendenzen in Italien, den Niederlanden und Österreich auf. Zusammen mit China, das seit jeher die Entwicklung der eigenen Wirtschaft staatlicherseits stark fördert, sind diese sieben genannten Staaten die Top 7-Exportmärkte Deutschlands.

3. In ihrer Leitindustrie Nr. 1 – dem Automobilbau – ist die deutsche Volkswirtschaft verwundbar
Fast 60 Prozent des Umsatzzuwachses der erfolgreichsten Unternehmen Deutschlands kommen aus der Autoindustrie. Die Zahl zeigt die extreme Bedeutung dieser Leitindustrie für die deutsche Volkswirtschaft. Aber gerade diese Branche ist stark abhängig von Exporten. Die jeweils drei größten deutschen Hersteller und Zulieferer erzielen rund 80 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Neben den Risiken der Renationalisierung fordern neue Technologietrends die Branche heraus. Elektroantriebe lösen mehr und mehr die Verbrennungsmotoren ab. Das autonome Fahren wird die Fahrzeugindustrie stark verändern. Erhebliche Verschiebungen von Marktanteilen können die Folge sein.

4. Jobs sind die neue Währung im Welthandel
Vor allem bei deutschen Autoherstellern ist die Diskrepanz zwischen Auslandsumsätzen und Auslandsbeschäftigung groß. 82,9 Prozent Umsatzanteil stehen 47,2 Prozent Auslandsbeschäftigung gegenüber. Zwischen 2006 und 2015 ist die Differenz sogar gewachsen. Im Zuge der Renationalisierung könnten diese Konzerne gerade deshalb protektionistischem Druck ausgesetzt sein. Zu befürchten ist: In einer stärker von Renationalisierung geprägten Weltwirtschaft könnten Jobs zur neuen Währung im Welthandel werden – nämlich dann, wenn für erfolgreiche Geschäfte mehr Wertschöpfung im jeweiligen Land gefordert wird.

5. Weiter verschärfte Wettbewerbsbedingungen treiben deutsche Unternehmen zu neuen Höchstleistungen
Trotz der schwierigen Lage auf dem Weltmarkt haben deutsche Unternehmen dennoch gute Chancen, auch weiterhin erfolgreich zu sein. Die Belebung auf dem Markt für Mergers & Acquisitions (M&A) ist als Teil einer darauf abzielenden Strategie zu sehen. So wurden in den ersten sechs Monaten 2016 mehr M&A-Deals mit deutscher Beteiligung abgeschlossen als in den vergleichbaren Zeiträumen ab 2007.

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